Kafis sind cool. Wenn man nicht drin sitzt. | 1.11.06

Mein Pendler-Pfad fuehrte mich in Zuerich taeglich an vielen Cafés vorbei, in denen zu jeder Tageszeit Menschen sassen und leicht entrueckt in ihre Tassen starrten oder gemuetliche Blicke nach draussen in die hektische Welt sandten. Und oft wenn ich im Bus an diesen Lokalen mit ihren so typischen Akteuren vorbeifuhr, muede auf dem Weg zur Arbeit oder gestresst von der Uni auf dem schnellsten Weg zurueck in die eigenen, ruhigen vier Waende, dachte ich: Warum die? Warum nicht ich? Warum haben die so viel Zeit, ein (hoffentlich gutes) Buch zu lesen und dabei einen geschaetzten Hektoliter Kaffee zu trinken?

In der letzten Woche in Zuerich vor meinem Abflug auf die Insel habe ich dann mal versuchsweise jeden Morgen mein Velo vor einem strategisch geschickt gewaehlten Kafi parkiert und mir einen frischen Espresso und ein Pain au Chocolat gegoennt. Und gemerkt: So toll ist das alles eigentlich gar nicht, auch wenn der Espresso stark und perfekt zubereitet ist und das Schoggibrot frisch aus dem Ofen auf meinem Teller landet. Und spaetestens hier auf der Insel, wo ich so viel Zeit habe und theoretisch fast den ganzen Tag in irgendeinem der vielen Koffeinverteilzentren herumlungern koennte, habe ich endgueltig realisiert, dass Kaffeehausmenschen vom Staat angestellte Statisten sind, deren einzige Aufgabe es ist, den Arbeitswuetigen jenseits des Fensters als Projektionsflaeche zu dienen fuer ihren unbefriedigten Drang, mal ganz lange nichts zu machen und dabei ein (hoffentlich gutes) Buch zu lesen und einen geschaetzten Hektoliter Kaffee zu trinken. Oder es sind einfach unterbeschaeftigte Werber (bzw. freie Journalisten), die hinter ihren schicken, mit dem kostenlosen WLAN verbundenen Macs auf ein erloesendes Mail eines Auftraggebers warten. Oder Martin Suter auf der Suche nach einer Pointe.

Denn den Tag in einem Kafi zu verbringen ist ganz schoen langweilig. Vielleicht liegt es aber in meinem Fall auch daran, dass ich Kaffee mit Vorliebe in Form eines Espresso zu mir nehme. Und dessen Konsum laesst sich nun mal schlecht auf mehr als fuenf Minuten verteilen.


22-Jan-2007: comments closed.


Tags: brighton kaffee martinsuter zuerich

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Kommentare
«There's nothing more surprising and enjoyable than getting a comment on your blog.»

ein sehr schöner text. wirklich. ich wüsste gerne, wo du den geschrieben hast. war's in einem café?

Kommentar von: JB (musical compatibility very high) at 2.11.06 12:23

Jippie. Irrwitzig komisch aber gespickt mit Wahrheiten des Alltags und somit des allmorgendlichen Verführens, dessen wir uns ausgesetzt sehen. Da gönn ich mir doch gleich noch einen Kaffee in unserer super wg-büro-kaffee-lounge (ohne Einblicke, da zuoberst). Schlürfe diesen dann genüsslich und freue mich darüber, dass ich DAS RAD auf 4 gestellt habe und mir anstelle von geschätzen 5, deren 10 Minuten des Geniessens und Abschaltens bleiben. Gewonnen, könnte man sagen.

Kommentar von: simon at 2.11.06 12:31

Falls deine Unlust der Kaffeebesuche tatsächlich an der vermeindlichen Kürze liegt, kann ich dir gerne einige Örtchen verraten, wo du bereits zum Bestellen eine gute halbe Stunde wartest. So wäre etwa das Le Pfauen ideal für Espressotrinker, die es auch gerne mal etwas länger mögen.
Steht aber das Verlangen doch eher danach, endgültig mit dem Mythos der Gemütlichkeit im Kaffee aufzuräumen, geht man am besten mal kurz um die Ecke. Einmal tief durchatmen im My Place sollte da völlig ausreichen.

Kommentar von: K at 2.11.06 15:47

Ins MyPlace gehe ich nur, um Moebel zu kaufen. Das dafuer woechentlich. Denn: Die Geschaeftsidee ist einfach genial. Waehrend andere Anbieter Ausstellungsmodelle zum halben Preis verkaufen, dreht MyPlace das Prinzip um und verlangt 10x mehr. Originell, oder?

(@JB: ja, klar. haha. hihi!)
(@simon: warum habe ich bei deinen kommentaren eigentlich immer das gefuehl, dass du staendig high bist? uebrigens: DAS RAD schaffe ich auch im alter von 24 jahren noch nicht. und du?)

Kommentar von: T at 2.11.06 17:33

Ich schon. Ätsch! (und das kannst du nämlich ebenfalls nicht, da so mit deiner britischen Tastatur... Mhmmm... À, Ö und Ü - jippie!!!)

Kommentar von: simon at 3.11.06 9:22