Konvergenz: Tagi adoptiert Coopzeitung | 10.05.07

Auf der Rückseite des Kulturbundes ist im heutigen Tages-Anzeiger die Coopzeitung zu Gast. Beim Ãœbernehmen des Layouts gab es leider technische Schwierigkeiten, so dass die Seite wie die gewöhnliche TA-Rubrik «Leben» aussieht. Doch der Reihe nach, und zwar wissenschaftlich korrekt: Zuerst beobachten und zählen, dann das Urteil fällen. Unsere leitende Forschungsfrage soll lauten: Will Coop mit diesem redaktionellen Engagement seine Kunden dazu erziehen, vermehrt Produkte der verschiedenen Spezial-Linien zu kaufen? Und schon gehts los.

1. Wir haben einen kleinen Ãœbertitel:
EINKAUFEN Das Angebot der Grossverteiler wird immer breiter - nutzen die Konsumenten diese Auswahl?

2. Wir haben einen grossen Titel:
Im Einkaufswagen liegt mehr Biologisches als Billiges

3. Und wir haben content for people:
Drei Interviews mit Coop-Kunden, ein Interview mit dem Vorstandsmitglied des Vereins Slow Food Schweiz und einen Artikel mit Informationen zum Produktangebot von Coop.


Interviews mit erstaunlich gut informierten Kunden

In den Interviews erklären die Kunden, weshalb und was sie bei Coop einkaufen. Frau B. mit Sohn Kevin findet, dass die Migros schon günstiger sei als Coop und sie Prix-Garantie-Produkte aus ästhetischen Gründen verschmähe, macht aber für spezielle Wünsche aus dem Bereich Fine Food, Weight Watchers und Naturaplan gerne einen Abstecher zu Coop. Natürlich kennt sie auch die Jamie-Oliver-Linie und Slow-Food-Produkte, doch die Begeisterung dafür hält sich in Grenzen.

Auch das Ehepaar V., das eigentlich am allerliebsten in kleinen Spezialgeschäften einkauft, und Frau R. mit ihren drei Kindern und der übergrossen Packung Pampers im Einkaufswagen kennen sich mit allen bei Coop erhältlichen Produktelinien aus und repräsentieren durch und durch mündige Konsumenten. Ernährung? Qualität vor Preis! Fine Food? Nicht immer, aber für spezielle Momente! Slow Food? Nicht mein Budget, aber das Konzept ist super! Prix-Garantie? Billiglinien lieber nicht unterstützen!


Slow Food? Coop sei dank.

Ãœber fünf Spalten erstreckt sich das Interview mit Giuseppe Domeniconi, dem Oberhaupt der Slow Food Bewegung in der Schweiz. Eigentlich ja ein tolles Konzept: Handwerklich produzierte Lebensmittel, in kleinen Mengen authentisch in kleinen Betrieben hergestellt, Qualität vor Quantität und so. Doch was, wenn der mündige Konsument (siehe oben) nicht zugreift, weil ihn ein paar Fragen quälen? Zum Beispiel: Bleibt die Qualität hoch, auch wenn ein Grossverteiler die Produkte in grossen Mengen verkauft? Ja. Warum sind die Produkte so teuer? They're handmade, stupid. Darf ich die nur kaufen, wenn ich zur Elite gehöre? Nein, natürlich nicht. Sahnt Coop dabei ab? Nein, die investieren sogar noch ganz, ganz viel Geld in das Projekt.


Ein Artikel wie ein Geschäftsbericht

Falls der Superpunkt bis jetzt noch immer nicht bei allen gefallen ist, fasst Monique Rijks - die auch schon die Interviews geführt hat - nochmals zusammen, was bei Coop so alles im Regal steht und was es bedeutet: Pro Specie Rara (engagiert sich für alte Arten von Kulturpflanzen und Nutztieren), Pro Montagna [...] Weight Watcher (Diätlinie). Dazu noch die Begründung des Konzerns für diese tolle Auswahl (Individualisierung des Publikums!) und Umsatzzahlen. Und nochmals Produktelinien: Delicorn, Jamadu, Betty Bossi.


Fazit

Die Antwort ist ja. Ja, Coop will mit diesem redaktionellen Engagement offensichtlich seine Kunden dazu erziehen, vermehrt Produkte der verschiedenen Spezial-Linien zu kaufen. Nur schon die Kombination der verschiedenen Ãœberschriften lässt diesen Schluss zu: Im Einkaufswagen liegt mehr Biologisches als Billiges. Keine Billigprodukte. Fast wie im Lädeli. Qualität ist wichtig. Das Ende des Einheitsbreis.

Monique Rijks kommt das Verdienst zu, die grösstmögliche Anzahl an Produktebezeichnungen mit der kleinst möglichen Anzahl von Verben und thematisch ablenkenden Off-Topic-Wörtern (wie Mann, das oder wenn) zu sinnvollen Sätzen der deutschen Sprache verbunden zu haben.

Und die Alternative? Ein ganzseitiges Inserat von Coop mit einer Headline, die lautet: Liebe Kunden, verwirklicht euch! Hände weg vom billigen Einheitsbrei, füllt euere Körbli unseren guten Spezialitäten. Das bringt uns mehr ein.

Ok, der letzte Satz würde vielleicht so dann nicht dort stehen. Aber es hätte Frau Rijks definitiv viel Arbeit erspart.


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Disclaimer: Der Autor ist bekennender Coop-Kunde und wird es bleiben. In seinem Einkaufswagen liegt öfters mehr Biologisches als Billiges. Das Konzept von Slow Food findet er toll, zählt sich aber bis jetzt aber auch nicht zur Zielgruppe. Fast so wie Frau R. mit den vielen Pampers.



Tags: coop coopzeitung konsum medien zeitung

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Kommentare
«There's nothing more surprising and enjoyable than getting a comment on your blog.»

Ich habe mir auf dem Medienspiegel erlaubt, Deine Analyse mit hart recherchierten Fakten zu ergänzen: http://www.medienspiegel.ch/archives/001744.html

Kommentar von: Martin at 11.05.07 17:23
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